
Zwischen Denken und Fühlen
Über das Ringen zwischen Verstehen und Verletzung - und die Kraft, liebevoll zu bleiben
Es gibt Tage, da bin ich stolz auf meine innere Reife. Ich weiß, wie ich bewusst atmen kann, wie ich Abstand halte, wie ich Situationen von außen betrachten kann. Wie ich mich selbst reguliere, wenn ein Trigger an den Nerven zupft – wie an Saiten, die eine alte, nur zu bekannte Melodie spielen.
Und dann gibt es diese anderen Tage – da reicht ein Wort, ein Schweigen, ein Blick – und etwas Altes in mir wird wach. Nicht laut, aber spürbar. Es erinnert mich daran, wie schmal der Grat sein kann zwischen „Ich weiß, was ich brauche“ und „Ich fühle mich ohnmächtig“.
Inhalt
Zwischen Denken und Fühlen
Über das Ringen zwischen Verstehen und Verletzung - und die Kraft, liebevoll zu bleiben
Wenn Kommunikation nicht möglich ist
Liebevoll bleiben – auch ohne Resonanz
Safe Place - Der sichere Hafen
Zwischen Außenhaut und Seele - von Wachstum und Schichten
Wenn Kommunikation nicht möglich ist
Was mir in diesen Tagen am schwersten fällt, ist das Schweigen. Ich halte offene, ehrliche Gespräche für den Schlüssel zu Verbindung – und doch gibt es Momente, in denen sie nicht stattfinden können.

Weil jemand nicht bereit ist.
Weil Wunden zu frisch sind.
Weil Worte fehlen.
Und dann stehe ich da, mit meinem Bedürfnis nach Klärung – und muss es in mir selbst halten.
Das auszuhalten, ohne in die alte Dynamik zu rutschen, ist vielleicht die größte Übung.
📌 Über Kommunikation und den feinen Unterschied zu Feedback findest du hier mehr.
Alte Wunden - neue Wege
Selbstreflektion ist das eine. Wichtig. Elementar geradezu. Aber es gibt Momente, da reicht sie allein nicht aus.
Dann wird Begleitung wertvoll. Ein Mensch, der sich einlässt. Ein Gegenüber, das spiegelt und mitgeht, ohne zu drängen. Das nicht wertet, sondern versucht zu verstehen, wo der Schmerz liegt. Jemand, der wissen möchte, was sein Gegenüber jetzt braucht.
In einem Coaching mit meiner wunderbaren Kollegin Kathrin Friesecke wurde mir bewusst, wie sehr alte, versehrte Beziehungsmuster meine Reaktionen manchmal noch auf Autopilot schalten wollen.
In solchen Momenten wollen wir „erwachsen“ reagieren, die Situation reflektiert halten, herausfinden, wie wir angemessen mit ihr umgehen – und spüren gleichzeitig, wie sehr alte Wunden wieder Schmerz signalisieren. Wie tief alte Prägungen greifen, wenn es um Verbindung geht.
So wie mein inneres Kind strauchelnd nach Halt suchte – während mein erwachsenes Ich um Haltung rang.
Beide Anteile gehören zu uns: Die Reife, die versteht. Und die Verletzlichkeit, die fühlt. Beide sind wahr. Beide dürfen da sein.
Liebevoll bleiben – auch ohne Resonanz
Dieses Mal aber war ich nicht Coach, sondern Coachee. Ich durfte selbst erleben, was es bedeutet, wenn jemand mir diesen Raum hält. Wenn jemand spiegelt, ohne zu drängen. Wenn Stille nicht als Leere, sondern als Einladung erlebt wird.
Ich erfahre, dass es möglich ist, liebevoll zu bleiben, selbst wenn keine Antwort kommt. Dass ich reflektieren darf, ohne zu verurteilen. Und dass Wertschätzung nicht immer Gegenseitigkeit braucht – manchmal ist sie ein Geschenk, das ich mir selbst machen kann.
Wenn ich mich zurückziehe, ist das kein Trotz. Es ist Selbstfürsorge. Raum, den ich mir nehme, um mich selbst zu verstehen – bevor ich wieder auf andere zugehe.
In diesem Raum darf Stille heilsam sein.

Safe Place - Der sichere Hafen
Mein innerer Ort der Sicherheit und Geborgenheit ist mein Safe Place.
Auch im trauma-sensiblen Coaching nennen wir den Raum Safe Place, den wir im Außen während des gesamten Prozesses für den Klienten halten – den gemeinsamen realen oder virtuellen Raum.
Ein sicherer Hafen, an dem man ankommen darf. Wo die Taue halten, auch mitten im Sturm. Hier schaffen wir Raum, um gemeinsam zu sortieren. Um einzuladen, andere Blickwinkel einzunehmen. Um in Situationen und Szenarien hineinzuspüren. Um nachzuspüren. Wir übergehen den Schmerz nicht. Wir würdigen ihn. Geben dem Gegenüber Raum, sich wiederzufinden. Herauszufinden, was es jetzt braucht. Alles darf sein.
So erhielt auch ich in meiner Session liebevolle Führung und innere Orientierung. Wir fanden gemeinsam meinen Weg – einen, der mir half, mein Gedankenkarussell zu stoppen, ruhig zu werden, innezuhalten.
Damit ich den Wald vor lauter Bäumen wieder erkenne. Damit ich wieder spüren kann, dass ich Gründe habe, an mich zu glauben. Und dass ich selbst bestimme, wie ich auf das Außen reagiere. Wieviel Raum ich dem gebe.
Verkörperte Selbstwirksamkeit
Genau hier beginnt für mich die immense Bedeutung des Verkörperns. Habe ich an dieser Stelle im Prozess eine Begleitung, die mich mit meinen Ressourcen verbindet, kann das Ergebnis ein Meilenstein sein - so wie bei mir dieser Tage.
📌Mehr dazu, wie ich innere Stärke als Ressource verstehe, findest du hier.

Eine meiner Ressourcen ist meine Superkraft, aus Stoff Kleidung erschaffen zu können – mit meinen Händen, meiner Kreativität, meiner Geduld und Ausdauer. Nähen bedeutet für mich pure Selbstwirksamkeit. Ich spüre: Ich kann etwas. Ich gestalte. Ich bin handlungsfähig.
Wenn ich den Stoff fühle, ihn zuschneide, die Schnittteile erst zusammenstecke, dann mit der Nähmaschine zusammenfüge, bin ich ganz im Augenblick. Fokussiert. Konzentriert. Keinerlei innere Unruhe - stattdessen etwas Greifbares.
Ich sehe, wie aus Einzelteilen ein Ganzes entsteht. Das erinnert mich daran, dass ich jederzeit gestalten kann – auch in mir.
Dieses Erleben - sichtbar vor meinem inneren Auge und spürbar im Körper verankert - lässt mich meine Ausgangssituation neu betrachten.
Wenn mir jemand diesen Raum hält, kann sich in mir etwas beruhigen. Dann breitet sich das Gefühl aus, dass ich an mich glauben kann.
So wie ich Fäden miteinander verbinde, verbinde ich auch in mir Denken und Fühlen – und schaffe etwas Neues daraus. 🪡💚
Zwischen Außenhaut und Seele - von Wachstum und Schichten
Halte ich fest – oder lasse ich durchscheinen?
So hat es eine Kollegin jüngst formuliert. In mir hat dieser Satz das Prinzip der Osmose hervorgeholt – und erinnert mich wieder an meinen selbstgenähten Anorak aus Sandwich-Fleece: ein Funktionsstoff, der Luft und Schweiß nach außen lässt, aber Regentropfen nicht hinein. Semipermeabel – halb-, beziehungsweise nur in eine Richtung durchlässig.
Wie passend diese Metapher für den Entwicklungsprozess ist: Sie steht für den feinen Unterschied zwischen Abgrenzung und Offenheit.
Beim Nähen meiner Funktionskleidung geht es darum, Stoffe zuzuschneiden, Anpassungen vorzunehmen – mit Materialien, die schützen, aber atmen lassen. Damit sie mich warmhalten, ohne unbeweglich oder gar starr zu machen.
Genau so fühlt sich Reifung für mich an: eine wachsende Durchlässigkeit, die das Innere schützt und zugleich Verbindung ermöglicht.
Ein lebendiger Schleier aus feinem Sprühnebel – sanft, beweglich, fast durchsichtig. Er legt sich zwischen mich und die Welt, ohne mich zu trennen.
Er lässt durch, was nährt, und hält fern, was schadet. Ein atmender Zwischenraum, der sich mit dem Wind bewegt – spürbar, aber nicht festhaltend.
In jenem Gespräch mit den Kolleginnen bekam etwas in mir Ausdruck, das bis dahin noch formlos war. Durch ihren Satz über das Halten und Durchscheinen fand mein inneres Erleben Worte – und ich konnte es in meine eigene Bilderwelt einfügen.
So wurde aus Verstehen ein Verkörpern.
Wachstum braucht Verbindung, nicht Abschottung.
Und Begleitung bedeutet, zu halten, ohne festzuhalten.
Wir dürfen loslassen, was nicht unseres ist.
Und dann, sanft und verständig, können wir unsere alten Wunden würdigen, sie versorgen – statt sie weiter zu öffnen.
An der Narbe erkennen wir, dass wir sie schon einmal überlebt haben.
Dass wir gewachsen sind - mit ihr.
Und dass auch diese Situation uns weiterführen wird.
Reifung im Alltag – Verantwortung mit Herz
Während ich diesen Prozess in mir weiterwirken lasse, spüre ich, wie sich etwas verändert. Die Verbindung zu mir selbst – und zu anderen – trägt mich weiter, als ich dachte.
Wachstum geschieht oft still.
In Begegnungen, die uns spiegeln, ohne zu verletzen.
In Augenblicken, in denen wir Kritik atmen lassen können, statt sie abzuwehren.
In denen wir uns zurücknehmen, ohne uns zu verleugnen –
und anerkennen, dass Überforderung kein Scheitern ist, sondern Teil des Wachsens.
Was ich zunehmend erfahren darf: Respekt – für meine eigene Größe.
Wow.
Was für ein Geschenk, das erleben zu dürfen. 🌿
Ein neues Fundament. Ein erster neuer Weg in meinen neuronalen Netzwerken. Einer, den ich behutsam, aber kontinuierlich ausbauen möchte. Damit aus ihm ein Pfad wird. Ein Weg. Eine Straße. Vielleicht sogar eine Autobahn.
Wir werden sehen. Es ist ein Prozess. Einer, der sich jetzt schon lohnt. Und während ich weiter wachse, beobachte ich, wie sich dieses innere Erleben zunehmend in meinem Alltag zeigt.
Ich habe gerungen – zwischen Fühlen und Denken. Zunehmend bewusst entscheidend, was jetzt wirklich wichtig ist. Anzuerkennen, wie ich mich fühle, wenn ich gerade nicht gut für mich sorge. Die Verantwortung zu übernehmen, statt mich zu verurteilen. Und in allem wertschätzend zu bleiben.
Was mir dabei immer deutlicher wird: Ich wäre heute nicht da, wo ich bin, wenn ich diesen Weg allein gegangen wäre.
Es braucht Begegnung, Resonanz, Austausch – manchmal auch Reibung.
Denn Entwicklung geschieht im WIR. Entwicklung bleibt Beziehung. Wir wachsen in Resonanz, nicht im Rückzug.
📌Meine Haltung und Werte, die in diesen Prozess einfließen, habe ich hier beschrieben.

Das Bunte im Trüben
Vielleicht ist das die Essenz dieses Herbstes:
Welche Schönheit im Unklaren sichtbar werden kann. Wie das Bunte im Trüben - oder der Sprühnebel im Licht - zu leuchten vermag.
Zu erleben, dass wir äußere Unwägbarkeiten aushalten können, weil wir in uns selbst Sicherheit finden.
Dass wir uns selbst Stabilität schenken können - gerade in wankelmütigen Zeiten, wenn Wind von außen kommt.
Denn dann, irgendwo zwischen Nebel und Sonne, Rückzug und Verbundenheit, finden wir uns selbst wieder.
Nicht als Entweder - Oder.
Sondern als beides - und ganz. 🌿
Wenn du spürst, dass es Zeit ist, deine eigene Außenhaut zu stärken – eine, die dich schützt und zugleich durchatmen lässt – dann findest du in meiner
📌CoachBAR den Raum dafür.
Bewusst. Achtsam. Reflektiert.

Wenn etwas in dir in Schwingung geraten ist oder du ein Stück deines Weges teilen magst – ich freue mich über deine Nachricht. 🌿
✉️ [email protected] oder über das Kontaktformular auf meiner Website.
